Vergangenen Freitag gab sich die Soulgemeinde der Ostschweiz im Palace ein Stelldichein. Alle kamen, um Lee Fields, den grossen Soulsänger, zu sehen.
Vorab heizten die DJs Wempe, Sanfilippo und Novak ein, legten New Soul und Ohrwürmer aus der Motown-Küche auf, steigerten das Tempo der Hits langsam, bauten Spannung auf, bis kurz vor 23 Uhr die Palace-Crew Getränke und Schweisstücher für die Artisten auf der Bühne bereitlegte. Endlich traten The Expressions auf, das Sextett, mit dem Lee Fields derzeit durch Europa tourt, bestehend aus einem minimalistischen, aber effizienten Bläsersatz mit Tenorsaxophon und Trompete (Mike Buckley und Jeff Pierce), Bass und Schlagzeug (Benny Trokan und Evan Pazner), Keyboards und Gitarre (Toby Pazner und Vincent John). Allesamt bewährte Studiomusiker, die zum Teil mit dem Meister das brandneue Album "Faithful Man" bei Truth & Soul eingespielt haben. Zum Auftakt legten The Expressions ein funky Piece mit wunderbarem Bläserarrangement hin. Dann verkündigte Benny Trokan, dass gleich der legendäre „Mr. Lee Fields“ auftreten werde: Und der Genannte betrat die Bühne, in tiefblauem Smoking und Lackschuhen, in weissem Hemd unter rotseidenem Gilet mit assortierter rotseidener Krawatte – elegant, wie es sich für einen in Würde gealterten Soulstar ziemt.
„Ich sehe mich als Soulsänger – als jemand, der seinen tiefsten Gefühlen Ausdruck verleiht“, sagte er unlängst in einem Interview mit der "Süddeutschen". Deshalb wirkt dieser Sänger so authentisch, so echt. Er verkörpert den klassischen Soul wie kaum jemand sonst. Seine Singles, die ab 1969 erschienen, sind heute hoch gehandelte Sammlerstücke. Aber die Wucht seines Comebacks nach einer Phase der musikalischen Abstinenz war unvorhersehbar. Es bahnte sich mit den Alben "Let’s Get a Groove On" (1998), "Problems" (2002) und "My World" (2009) an.
Aus letzterem bringt Fields alsbald den Hit "Ladies". Darin versichert er, dass er alle Frauen liebe, die kleinen, die grossen, die schmalen, die starken, die hellen, die dunklen – „all ones“. Fields entpuppt sich als charismatischer Entertainer, wenn er spontan aus dem Publikum eine Frauenstimme zum Mitsingen erweckt. Ist das nicht der Beweis für diesen anderen neuen Titel: "I Still Got It"? Ausgefuchste Tanzeinlagen weiss der Sänger mit funkensprühendem Charme ebenso einzulegen wie stimulierende Fragen: „Are you happy?“ Alle schreien. Feuerzeuge gehen an. Das Publikum singt den Refrain von "Love Comes and Goes" mit. Eine Dame reicht Fields ihren schwarzen BH auf die Bühne… Soul verbindet spirituelle mit sexueller Energie. Soul macht Freude. Das zeigte das Ende des Konzerts: viele Zugaben, viele zufriedene Gesichter.
© Florian Vetsch/St. Galler Tagblatt (26. März 2O12)
PS: Nächste SOUL GALLEN ist am 21. April mit Gast-DJ Neal Sugarman (Daptone Records/NYC)